Frage: Was ist die SAP Mobile Platform (SMP) und welche Funktion erfüllt sie?
Christian Steinert: Bei der SMP handelt es sich um ein Paket aus Server-Komponenten und Entwicklungswerkzeugen. Die Server-Komponenten verwalten die Datenzugriffe von Mobilgeräten, leiten sie an das Backend weiter und erlauben das Monitoring der Datenverbindungen. Die Entwicklungswerkzeuge und Standardbibliotheken der SMP erleichtern es, mobile Apps zu entwickeln und mit ihnen auf ein SAP-Backend-System zuzugreifen.
Ergänzend zu diesen Funktionen der SMP bietet SAP die Geräteverwaltung Afaria an. Mit ihr können Apps und Konfigurations¬einstellungen auf Mobilgeräte ausgerollt und Sicherheitsrichtlinien (zum Beispiel Anwenderberechtigungen) für die Verwendung der Geräte festgelegt werden. Dabei handelt es sich um ein zusätzliches Produkt, das einzeln vertrieben wird und auch unabhängig von der SAP Mobile Platform verwendet werden kann.
Frage: Welche wesentlichen Änderungen bringt die neue Version 3.0?
Christian Steinert: In erster Linie hat SAP die Server-Komponenten vereinfacht und ist dabei, diese zu modernisieren. Zum Beispiel werden einige der Technologien, die mit dem Kauf von Sybase übernommen wurden, abgelöst – etwa die Technologie der Mobile Business Objects (MBO). Als Alternative dazu hat SAP die Unterstützung für das OData-Protokoll erweitert und führt hierfür nun unter anderem eine Offline-Datenhaltung auf dem Mobilgerät als Standardfunktion ein. Das OData-Protokoll soll es Entwicklern erleichtern, aus Mobile-Anwendungen heraus auf Backend-Daten zuzugreifen. Allerdings ist in einer bestehenden SAP-Systemlandschaft mit dem NetWeaver Gateway auch eine neue Server-Komponente erforderlich, um dieses Protokoll bereitzustellen.
SAP unterstützt inzwischen eine Vielzahl von Ansätzen zur App-Entwicklung. Welche Technologien und welche Entwicklungsumgebung der Anwendungsentwickler verwendet, kann und muss er weitgehend selbst entscheiden. Mit der SMP 3.0 bekommt er Bibliotheken für eine einheitliche Backend-Kommunikation und Design-Tools für die Oberflächenentwicklung zur Verfügung gestellt. Je nach Situation kann der Entwickler entscheiden, ob er eine plattformabhängige App oder eine weitgehend auf HTML5 beruhende hybride Anwendung entwickelt und welche Entwicklungswerkzeuge hierfür zum Einsatz kommen.
Dieser „offene“ Entwicklungsansatz wird von SAP stark propagiert. Der Grund dafür dürfte sein, dass einerseits das Verhalten der verschiedenen mobilen Endgeräte sehr unterschiedlich ist und sich andererseits das vorhandene Entwicklungs-Knowhow und die Systemlandschaft in den Unternehmen stark unterscheiden.
Frage: Wie würden Sie die Entwicklungen zusammenfassen, die SMP 3.0 bringt?
Christian Steinert: Aus meiner Sicht stellt SAP mit dem Produkt einen Werkzeugkasten bereit, mit dem die Frontend- und Backend-Bestandteile von Mobile-Anwendungen entwickelt werden können. Aus diesem Werkzeugkasten muss abhängig von den vorhandenen Anforderungen und Gegebenheiten klug ausgewählt werden, bevor mit einem Entwicklungsprojekt begonnen wird.
Durch die erfolgte Harmonisierung der Server-Komponenten, die dringend erforderlich war, ist nun die Grundlage für eine Weiterentwicklung der Plattform gelegt.
Frage: Was bedeutet die Ablösung des MBO-Konzepts durch OData für Kunden, die bereits Apps auf älteren SMP-Versionen implementiert haben?
Christian Steinert: Falls bereits Apps vorhanden sind, die ein OData-basiertes Datenmodell verwenden, sollte eine Umstellung dieser Apps auf eine OData-basierte Datenanbindung erfolgen. Während des Umstellungszeitraums kann eine vorhandene Version der SAP Mobile Platform parallel weiter betrieben werden, um vorhandene MBO-Apps weiterhin mit Daten zu versorgen. Die Aktualisierung solcher Apps sollte nicht zu lange aufgeschoben werden, da MBOs nicht weiterentwickelt werden und dadurch die Unterstützung neuer Gerätemodelle nicht sichergestellt ist.
Wird eine MBO-basierte App umgestellt, ist eine Anpassung sowohl auf Server- als auch auf Client-Seite notwendig. Auf Server-Seite muss das Datenmodell über den NetWeaver Gateway neu abgebildet und per OData bereitgestellt werden. Zum Teil kann hier auf vorhandene Funktionalität zurückgegriffen werden. Aufgrund des unterschiedlichen Verhaltens und der veränderten Struktur der Datenschnittstelle wird aber auch Entwicklungsaufwand notwendig sein. Ob dieser hoch ist, hängt vor allem von der Anzahl und Komplexität der beteiligten Entitäten des Datenmodells ab.
Innerhalb der App selbst müssen die vorhandenen Datenzugriffe neu entwickelt werden. Je nachdem, wie sauber die App intern strukturiert ist, kann es auch notwendig sein, Teile der Anwendungslogik anzupassen, falls diese nicht ausreichend vom bisher verwendeten Datenzugriffsmechanismus entkoppelt war.
Frage: SAP hat in der Vergangenheit Produkte von Sybase und Syclo in das eigene Mobile Portfolio übernommen. Diese sollen nun vereinheitlicht werden. Was bedeutet das?
Christian Steinert: Die Lizensierung und Installation beider Produktbestandteile wurde kombiniert und die verschiedenen Dienste laufen nun gemeinsam auf demselben Server. Trotzdem handelt es sich um sehr verschiedene Technologien. Dadurch unterscheidet sich auch die Anwendungsentwicklung stark – sowohl was die Integration im Backend als auch was die Entwicklung der App selbst anbetrifft. Um die Komplexität der Systemlandschaft und den Wartungsaufwand zu reduzieren, ist es vor der Einführung neuer Anwendungen empfehlenswert, sich für eine dieser parallel angebotenen Technologien zu entscheiden.
Frage: Wie herstellerübergreifend ist die SAP Mobile Platform verwendbar?
Christian Steinert: Die zusätzlich angebotene Geräteverwaltung Afaria ist nicht auf spezielle Backend-Technologien ausgerichtet. Da Afaria für die Auslieferung der Apps und die Verwaltung der mobilen Endgeräte zuständig ist, spielt es keine Rolle, auf welche Systeme eine App zugreift und auf welche Weise die Datenbeschaffung funktioniert.
Die SAP Mobile Platform selbst ist stark auf OData-Schnittstellen ausgerichtet. Falls ein Zielsystem keine OData-Schnittstelle anbietet, lässt sich diese mit dem NetWeaver Gateway entwickeln. Ob dies zweckmäßig ist, hängt von der vorhandenen Systemlandschaft und den konkreten Anforderungen ab. Es lassen sich auch andere REST-basierte Datenverbindungen über die SAP Mobile Platform leiten, aber dann verliert man den Vorteil der SAP-eigenen Entwicklungswerkzeuge.
Falls Daten aus heterogenen Systemen gemeinsam in einem Mobile-Szenario verwendet werden, muss die System- und Anwendungsarchitektur sorgfältig geplant werden, um die Sicherheit und zentrale Administrierbarkeit der Schnittstellen zu gewährleisten, Probleme bezüglich der Datenintegrität zu vermeiden und eine gute Performance sicherzustellen. Dabei sollten neben den funktionalen Anforderung an das Mobile-Szenario nicht nur die technischen Fähigkeiten und Möglichkeiten der beteiligten Systeme betrachtet werden, sondern auch die Rolle dieser Systeme innerhalb der IT-Landschaft des Unternehmens.
Frage: Wie lautet Ihr Fazit? Lohnt sich ein zügiger Umstieg auf die neue Version?
Christian Steinert: Momentan ist SAP vor allem damit beschäftigt, die Technologien zu vereinheitlichen, die von verschiedenen Herstellern übernommen wurden. Dieser Schritt war unbedingt notwendig, um die Zukunftsfähigkeit der Plattform sicherzustellen, legt aber nur die Grundlage für kommende Weiterentwicklungen. Besonders auf Server-Seite wären funktionale Erweiterungen, beispielsweise beim Berechtigungsmanagement, sehr wünschenswert. Es ist daher zu hoffen, dass SAP den jetzt eingeschlagenen Kurs beibehält und weiter in diese Plattform investiert.
Neukunden sollten die neue Version berücksichtigen, sobald sie allgemein verfügbar ist. Die Umstellung vorhandener OData-Anwendungen auf die SMP 3.0 ist ratsam und sollte wenig Aufwand verursachen, kann aber nach und nach erfolgen. Bestandskunden, die bereits Anwendungen auf Grundlage von Mobile Business Objects betreiben, sollten sorgfältig prüfen, ob der Aufwand für eine Umstellung gerechtfertigt ist oder ob stattdessen die bisherige Version der SMP weiter betrieben und bestehende Anwendungen nach und nach durch Neuentwicklungen ersetzt werden können.
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